Wir
starten um 10 Uhr bei strahlendem Sonnenschein. Zuerst nehmen wir den glatten
Radweg durchs Engadin, der bestens ausgeschildert ist und vor allem von zahlreichen
Skatern frequentiert wird.
Das erste Stück ist uns ja noch wohlbekannt, da wir es in Gegenrichtung bereits
vor zwei Tagen durchfahren haben. Hinter La Punt wird das Tal sehr schmal und
der Radweg schlängelt sich am Osthang des Piz Quattervals entlang, gemeinsam
mit der rätischen Bahnlinie, die über kühne Viadukte die Schluchten
schneidet.
Hier
in einem der ältesten Nationalparks der Welt ist es sehr ruhig,
aber nicht ganz eben. Es geht hinunter nach Zernez, wo wir in der Gaststätte
beim Bahnhof ein kleines Mittagesssen einzunehmen.
Die Stadt ist nicht weiters sehenswert, da durch einen großen Stadtbrand vor
hundert Jahren keine historischen Gebäude erhalten sind. Hier im Unterengadin
ist die Straße B27 zum Glück nicht sonderlich belebt, und wir genießen das fast
kontinuierliche Hinabgleiten entlang des Inns. Den kleinen Anstieg nach Ardez
genehmigen wir uns, die mit Sgraffiti geschmückten Häuser sind ein wahrer
Augenschmaus. Vor allem der freistehende Turm, der kühn auf einer Bergspitze
thront, zeigt, daß diese Gegend kein unumstrittenes Grenzgebiet war.
Es gehörte vor einigen hundert Jahren noch zu Österreich. Ganz anders die Stadt
Scuol/Schuls. Hier hat der Ski-Tourismus seine Spuren hinterlassen.
Es
wimmelt von Menschen, Gaststätten, Hotels, Boutiquen und alles, was der moderne
Reisende begehrt. Wir begehren einen Eisbecher auf der Sonnenterrasse eines
Hotels. Noch bevor die Becher kommen, schüttet es kräftig, dank der ausgefahrenen
Markise können wir trotzdem im Freien diesen Schauer genießen.
Das
Sommergewitter zieht nach Osten ab und wir folgen ihm auf seinen nassen Spuren
Richtung Pfunds in Tirol. In Martina endet die Schweiz und zehn Kilometer
später beginnt Österreich. Dieses zolltechnische Niemandsland beeindruckt
durch seine Kulisse.
Der
Inn schlängelt sich hier nochmals durch eine schmale Felsenschlucht, die Szenerie
erinnert uns an Via Mala, auf dem rechten Innufer können wir die Reschenpaßstraße
den Berg steil erklimmen sehen. Wir sehen schöne Regenbögen und erreichen Pfunds
zum Abend, dort nehmen wir ein Zimmer in der neugebauten Pension "Schöner
Ausblick". Hundert Meter von hier hat Edi vor zwanzig Jahren übernachtet, als
er dem Inntal in der anderen Richtung gefolgt ist. Der Ort ist seitdem gewaltig
gewachsen. Auf der Terrasse eines Gasthofs mit Blick auf den grün schimmernden
Inn verabschieden wir uns von dieser schönen Fahrt durch das Engadin.
Als wir im Bett liegen, stört uns das laute und nicht enden wollende Schreien
einer Kuh. In der Tat geräuschvoller als in jener Nacht im Stroh. Anne
entschließt sich, nochmals aufzustehen und die Wirtin auf das unglückliche Tier
hinzuweisen. Diese versteht das Problem sofort, denn heute wurde das Kalb
von der Mutter getrennt, der Bauer bringt es zurück. Kalb, Kuh und wir schlafen
daraufhin geruhsam. 91,28 Kilometer Strecke
Und weiter nach Volders
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