Dienstag, 28.Juli 1998 |
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73 km
13,5km/h
Abschnitt: Eidi - Torshavn |
Jeder Tag hat seinen Höhenflug, besser gesagt, seinen
Paß. Der höchste Berg der Färoer Inseln ist der Slaettaratindur
mit seinen 882 m über dem Meeresspiegel. Der Paß führt
immerhin auf einer traumhaften Strecke entlang der beeindruckendsten Klippen,
die man sich vorstellen kann, auf eine Höhe von 475 m, mitten in die
feuchten Wolken hinein. Die Abfahrt belohnt den beschwerlichen Aufstieg
mit wunderbaren Serpentinen. Die Straßenbeschaffenheit ist auf den
ganzen Inseln hervorragend. Alles asphaltierte Straßen bester Qualität,
da macht eine Abfahrt wirklich Freude. Trotzdem vermerkt der Lonely Planet
Reiseführer, daß das Radfahren auf den Färoer Inseln zwar
besser als auf Island sei aber trotzdem nicht auf die leichte Schulter
genommen werden dürfe. Das sollten wir noch auf den Wahrheitsgehalt
prüfen.
Das schöne Wetter des Vortags will sich nicht mehr
zeigen. Es herrscht viel Gegenwind, es wird kälter und regnerisch.
Erste Unmutsbezeugungen von Lydia treten auf. Man kommt auch nicht so recht
voran bei dem Wind, meine ich. Doch die erfahrenen Islandreisenden wollen
nichts vom Wind hören. "Wind gibt es erst auf Island..." O weh!
Zwei Stunden zu früh für die Fähre, die
uns zurück nach Torshavn bringen sollte, erreichen wir Strendur.Die
Wartezeit verkürzen wir uns mit Probefahren des Liegerads, wobei noch
eine kleine Reparatur des Gangseils anfällt, die dank der hervorragenden
Ausstattung Günters erfolgreich durchgeführt werden kann. Sonst
hätte die Tour ein frühes, jähes Ende gefunden...
Weiterer Zeitvertreib bietet ein alter LKW-Reifen, auf
dem man sich warmhüpfen kann. Immer wieder werden Schiffe gesichtet,
die aber nicht bei uns anlegen wollen. Der Hafenarbeiter versichert immer
wieder, daß dies der richtige Fährhafen sei. Wir warten auch
noch über die eigentliche Abfahrtszeit hinaus, bis die ersten aufbrechen,
um noch vor Nachteinbruch ein gutes Stück zurückzufahren. Schließlich
müssen wir am nächsten Tag pünktlich mit der Smyrill-Line
in Torshavn Richtung Island ablegen. Nach einer Weile treffe ich auf einen
kompetenten Autofahrer, der einen Fährplan dabei hat. So stellen wir
fest, daß die Fähre heute definitiv nicht mehr kommt und wegen
des Nationalfeiertags auch morgen nicht . . . .
Also: Achtung Färoer-Reisende! Bitte verlaßt
euch nicht auf solche Pläne, denn auf den "Isle of Maybe" kann es
immer zu spontanen Änderungen kommen.
In unserem Fall bedeutet dies, daß wir einen Teil
der zurückgelegten Strecke erneut bewältigen müssen, bei
verschärften Wetterbedingungen. Denn der Regen nimmt zu und die Temperaturen
sinken ab. Die Motivation ist durch das unsinnige Warten stark abgesunken.
Und um die Strecke schaffen zu können, entscheiden wir uns für
einen Tunnel.
Nochmals Achtung und dringende Warnung an alle Radfahrer
auf dem Färoern: Vermeidet die Tunnel! Sie sind horrormäßig
und können einem Nahtodeserfahrungen vermitteln. Es kann auch gutgehen
und es gibt natürlich Unterschiede von Tunnel zu Tunnel. Aber jener
Tunnel, durch den wir hindurch müssen, war unbeleuchtet und vier Kilometer
lang. Da die Färoer unendlich viele Tunnel brauchen, sind sie einfachst
gebaut. Keine Lüftungsschächte, unbefestigter Fahrbahnrand, natürlich
keine Radspur.
Ausgerechnet nun funktioniert mein Radlicht nicht mehr,
obwohl ich es vor der Fahrt extra vom Radladen überprüfen ließ.
Mehr oder weniger blind fahre ich Edis Rücklicht nach. Wenn sich Autos
nähern, weiß man zuerst nicht, ob sie von vorn oder hinten kommen,
denn es dröhnt einfach nur stark aus allen Richtungen. Dann sieht
man den Lichtstrahl, der einen erfaßt und man hofft, daß der
oder die Fahrerin genügend Fahrtüchtigkeit besitzt, an einem
vorbei zu kommen. In der Mitte des Tunnels sind wir schweißgebadet
und fast am Ersticken. Doch wir schaffen es.
Draußen lassen wir uns trotz Regen am Rastplatz
nieder und kochen uns einen Tee und Kartoffelpürree mit Jägersoße.
Das baut wieder auf, so daß wir bald weiterradeln können, wenn
auch nervlich am Ende.
Dann stoßen wir zu den anderen, die schon früher
gestartet waren. Sie geben uns noch einen Rest Spaghetti ab, dann bauen
wir in der Nähe unsere Zelte auf. Es ist sehr feucht und unfreundlich.
Am Ende des Tages sind wir 73 km gefahren, die durchschnittliche Geschwindigkeit
beträgt 13,5 km/h.
Mittwoch, 29.Juli 1998 |
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Abschnitt: Torshavn -
Nordmeer |
Edi muß in der Nacht spucken und hat glaube ich auch
Fieber. Irgendwas hat er nicht vertragen, es ist ganz ungewöhnlich,
weil er sonst nicht empfindlich ist. Er ist der einzige, dem es schlecht
geht.
Deshalb brechen wir später auf, Edi hält sich
wacker auf dem Rad, obwohl man es ihm ansieht, daß er krank ist.
Aber es nützt nichts, die 50 Kilometer bis nach Torshavn müssen
zurückgelegt werden. Da unsere Fahrräder so lang sind, kann uns
ein normaler Bus nicht mitnehmen, d.h. wir versuchen es gar nicht. Irgendwie
hat er es ja auch geschafft. Tags zuvor glaubte ich, daß ich nie
wieder durch einen Tunnel fahren würde, heute nun mußten wir
es wieder tun. Mein Licht tut wieder - und welch Wunder, der Tunnel ist
beleuchtet! Das gibt es doch auch. Ein Kinderspiel nach der Erfahrung von
gestern. Lydia und Günter haben sich für den Paß entschieden,
aber sie sind ja auch fit.
Edi kämpft gegen die Müdigkeit an, er könnte
an jeder Stelle sofort einschlafen. Als wir gegen 14.00 in Torshavn
ankommen, das kräftige Auf- und Ab der Küstenstraße erfolgreich
bewältigt, besuchen wir das Cafe Natur am Hafen. Es ist wirklich empfehlenswert,
eine sehr gute Atmosphäre dort, ein bißchen Hafenromantik. Durch
den Nationalfeiertag ist überall was los, historisch gekleidete
Einwohner tanzen und singen in den Straßen.
Vom Lokal aus kann man viel beobachten, auch wie die MS
Nörrona von der Smyrill-Line einfährt.
Im stömenden Regen müssen wir dann doch noch
lange warten, bis wir an Bord dürfen. Dann aber legt sich Edi sofort
in die Kajüte, um bis zum nächsten Morgen durchzuschlafen.
[Island Teil I]
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