Montag, 10. August 1998 |
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55,7 km
11,75 km/h
Start: 8:37
Abschnitt: Hvitarnes - Geysir |
Es gab über Nacht tatsächlich Sturm.
Doch die Steine, die Edi auf die Verankerung des Zeltes gelegt hat, haben
gut gehalten. Wir starten sehr früh um halb neun und nehmen die alte
Rottelstrecke wieder auf. Der Wind ist recht kräftig und wird noch
kräftiger. Es ist sehr anstrengend, das Vorwärtskommen wird immer
wieder durch den Wind nach rechts umgedreht. Sand und Rottel hören
eine Weile auf, als uns die Straßenschleifmaschine, der Straßenhobel,
entgegenkommt. Die Straße war sehr glatt, wie abgeschnitten. Die
Sonne zeigt sich heute sehr schön, wenn nur der Wind nicht wäre...
Denn Sand und viel Wind bedeuten Sandsturm. Den haben wir zeitweise
kräftig. Zusammen mit den vorbeifahrenden Autos überkrustet er
uns vollständig mit Sand und Staub.
In einer Kurve passiert dann das
Umglück: mein Rad fiel, obwohl ich es auf dem Ständer abgestellt
hatte, auf die rechte Seite. Der Wind schiebt es einfach mal schnell auf
einen spitzen Stein. Edi sagt noch: "Du hast dein Rad wieder einmal nicht
richtig abgestellt. Immer in die Windrichtung, nie seitlich dazu. Das hab
ich dir schon oft gesagt. Beim zehnten Mal umfallen ist dann die Bremse
kaputt."
Zerknirscht hebe ich das Rad wieder hoch (er hatte es
wirklich schon oft gesagt) - und stelle fest, daß die Bremse
kaputt war. Der Schlauch war eingerissen und die Hydraulik damit undicht.
Die Bremsflüssigkeit schoß im Strahl an der Bruchstelle heraus.
O weh, das war ein Schock. So etwas kann nicht schnell repariert werden!
Edi war ziemlich sauer, weil er schon befürchtete, daß wir die
Radtour abbrechen müssen. Bremsen sind schließlich wichtig.
Aber das Liegerad hat ja zwei Bremsen. Zum Glück. Die Hinterradbremse
tut ja noch.
Und so erreichen wir heil um 2 Uhr nachmittags den Gullfoss.Auf
dem Weg zwei kleine Furten, beide fahrbar. Edi ist enttäuscht. Keine
richtigen Furten! Wir sind die ganze Zeit vor der Regenfront hergefahren.
Es sieht immer so aus, als ob wir ins schöne Wetter fahren. Von weitem
sieht man den Gullfoss dampfen. Die Sonne schien toll, der Wasserfall funkelt
herrlich. Der Gullfoss ist beeindruckend. Zwei Fallterassen, man kann sich
sogar toll dazischen setzen, wir hatten das Glück, genau zwischen
zwei Busschüben dort zu sein.Leider
finden wir aber kein Cafe, deshalb schnell weiter zum Geysir.
Inzwischen hat sich der Seitenwind in einen starken Rückenwind
verwandelt, so daß wir die acht Kilometer vom Gullfoss nach Geysir
in nullkommanichts zurücklegen. Fast ohne zu treten, können wir
die schurgerade Straße bergab fahren. Endlich keine Rottelstraße
mehr!
Das Wetter zeigt sich nun wieder von der schlechten Seite,
es regnet. Edi macht vor dem Hotelrestaurant Geysir halt. Ich warne,
weil ich im Führer was gelesen hatte, daß das Hotel nicht so
gut sei. Die Esso-Station viel besser. Wir zur Esso-Station, die war aber
furchtbar, außer Hotdogs gab es nichts gescheites. So sind wir doch
ins Restaurant Geysir - und es war toll! Gepflegte Atmosphäre, eine
ganze Kanne Kaffee, Waffeln köstlich knusprig mit Sahne und Marmelade.
Der Campingplatz gehört zur Station und liegt direkt hinter dem Solfataren
und Geysir-Gelände. Sehr schöner Rasen, man hört und sieht
die Eruptionen von Strokkur.
Wir
besichtigen das Gelände, es gibt ganz viele kleine heiße Töpfe,
manche kochen mit 100 Grad, ein kleiner Geysir, der nur rumsprudelt, dann
die Hauptattraktion: Strokkur. Der Geysir eruptiert alle zwei bis drei
Minuten einmal. Es ist unglaublich spannend, zuzusehen, wie sich das Wasser
sammelt, brodelt, kleine Bläschen wirft, schwabbt, nochmehr schwabbt,
sich nach oben bewegt, dann wieder ausläuft, brodelt, sammelt, hochwölbt,
zur Glocke schließt, glasartig gespannt wird. Es hat dann einen harten,
kugeligen Kern, der auf einmal in die Höhe schießt und die Fontäne
sich hoch aufrichtet.Oben
zerspringt, höher geht und sich in Dampf auflöst. Eine riesige
Wolke folgt, zieht sich schnell zusammen. Im Nu zieht sich das Wasser zurück.
Das Loch, in dem das Wasser brodelt, schien leer zu sein. Dorthin fließt
das dampfende Wasser brav zurück, es wird richtig eingesogen.
Geysir selbst ist still, die mächtige Plattform ist
noch da. Am Nationalfeiertag wird er künstlich belebt und zur Eruption
gebracht. Strokkur ist viel kleiner, geht nur ca 20 bis 25 Meter tief,
Geysir ist tiefer. Die Temperaturen erreichen dort 250 Grad Celsius. Da
es regnet, bleiben wir nicht so lange, sondern säubern und erholen
wir uns am Whirlpool des Schwimmbads. Danach gehen wir im Restaurant Geysir
für 150 Mark schlemmen. Es tut unglaublich gut, die Atmosphäre
ist gediegen und das Essen sehr gut. Ich hatte zwei gegrillte Lachsteaks,
Edi zwei Koteletts in pikanter Soße. Dazu als Vorspeise Suppe, vornedrauß
frisch aufgebackene warme Brötchen mit Butter und einen gigantisch
verzierten Nachtisch.
Danach sehen wir nochmals Strokkur zu und gehen bis um
halb elf schlafen.
Spruch: Bisi bei BP, Schnell bei Schell...
Anmerkung zur Campingnacht: Die ganze Nacht haben man
lautes Schnarchen aus einem umliegenden Zelt. Es klang sehr nahe
und sehr laut. Am nächsten Morgen konnte das Geräusch lokalisiert
werden. Es kam aus einem der etwas weiter abliegenden Zelte. Als wir abgebaut
hatten, kam eben dieser Mensch auf uns zu und sprach uns auf die Räder
an, machte danach sogar ein Foto (!). Wir hatten ihn nicht als Schnarcher
entlarvt.
Dienstag, 11. August 1998 |
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56 km
14,53 km/h
Start: 9:40
Abschnitt: Geysir - Pingvellir |
Früh
aufgestanden, 6.10, weil die Sonne sich zeigte, Edi hat Strokkur in der
Morgensonne fotografiert. Trotz früher Uhrzeit sind wir nicht die
einzigen am Geysir, zwei weitere Fotografen nutzen noch die Gunst des Lichts.Am
Morgen erzähle ich Edi von komischen Lichtern, die ich nachts gesehen
hatte. Es sah für mich aus wie eine Diskobeleuchtung. Edi war daraufhin
sauer, daß ich ihn nicht geweckt hatte. Es müssen Polarlichter
gewesen sein.
Der Morgen fängt sehr schön an.Es
ist einfach spannend, Strokkur zuzusehen. Danach lesen wir im Zelt im Reiseführer
nach, was über Pingvellir zu lesen ist. Der Reisebericht von gestern muß
noch geschrieben und vorgelesen werden, zusammen überlegen wir, was noch
fehlt.
Hinweis: Inzwischen habe ich mich von der Form des Gysir inspirieren
lassen und einen Eiszapfen mit
der gleichen Form gebaut [16.1.2002]
Dann gings auf Fahrt. Der Wind hält sich heute zurück.
Er ist zuerst kaum zu spüren, später als Rückenwind. Die
ersten zehn Kilometer sind ganz einfach, dann wird die Straße etwas
schlechter. Ein Zwischenstück ist noch rottelig, aber die Isländer
sind schon am Ersetzen der einspurigen Brücken durch zweispurige.
Einbreid Bru - Schilder wird es immer weniger geben.
In Laugarvatn kaufen wir für den Abend ein.
Eingelegte Forellen, Gravad Lachs Soße, Bananen, Kaffee etc. Da es
gerade Mittagszeit ist, essen wir Hotdogs. Immer wenn es Hotdogs gibt,
geht's bergauf. Zwei kleine Jungen radeln wie die Teufel hinter uns her.
Der eine ruft die ganze Zeit: "Cool!" Und strahlt über das ganze Gesicht,
als er die Räder sieht. Dann aber geht es zum Nationalpark Pingvellir.
Seit 930 dient das Gebiet für den Alping, die Parlamentarische
Versammlung der Isländer. Der Platz wurde aus akustischen und logistischen
Gründen gewählt. Er war von den damaligen Besiedlungen aus gut
zu erreichen und bot den versammelten Menschen Schutz und Wasser.
Doch um dahin zu kommen, müssen wir noch einen kleinen
Paß bestreiten. Unglücklicherweise fängt es an zu regnen,
was die Straßenqualität um eine neue Variante bereichert: Matsch
und Schlamm. Das gefällt den Rädern und uns nur wenig. Vor allem
aber ist die Sicht sehr eingeschränkt, Regenwolken und Nebel verhindern
den freien Blick auf das Pingvellir-Tal. Durchnäßt kommen
wir um drei nachmittags in Pingvellir an und suchen sofort Schutz in der
Cafeteria. Ein heller, freundlicher und vor allem warmer Glasvorbau an
der Hütte, ist genau das, was man sich wünscht. Wir treffen den
Holländer, den mit uns auf der Fähre war. Nun sitzen und
trocknen wir erstmal für zwei Stunden im Cafe, trinken Cafe, essen
sehr kompaktes isländisches Schmalzgebackenes und Trockenfischsnack.
Dort begegnen wir auch einer Frau aus Deutschland, die
seit zehn Jahren hier lebt (bei Reykjavik, sie stammt aus Stuttgart
und ist sehr erfreut, Leute aus Tübingen zu treffen. Die Liegeräder
waren ihr auch schon aufgefallen. Sie bestätigt uns, daß es
in den letzten Jahren viele neue Straßenschilder gegeben hat. Im
Kiosk hängt ein aktueller Wetterbericht aus dem Internet.
Der Besuch des Versammlungsplatzes (mit dem Rad aber ohne
Gepäck), das Zelt haben wir am Campingplatz hinter der Hütte
aufgestellt. Pingvellir ist sehr beeindruckend. Die geologische
und geografische Lage des Platzes ist erstaunlich: Hier drifteten und driften
die Kontinente auseinander: auf der westlichen Seite Amerika, auf der östlichen
Seite die eurasische Kontinentalplatte. Die Risse sind unverkennbar in
der Landschaft. Die Almannja-Schlucht, das Herz von Pingvellir, sieht aus
wie eine riesige, schöne Steinmauer mit einem fantasievollen Fries
und Skulpturen voller Bedeutung: Eine Sphinx und Pyramide, Menschenfiguren,
das Auge erkennt vieles im gespaltenen Fels, der wie ein Bauwerk wirkt.
Es gibt viele Winkel, Nebenschluchten, die wie Kämmerchen wirken.
Ein Wasserfall begrüßt die Besucher am Eingang.
Vor diesem Monument liegt der Pingvellirvatn, ein märchenhäfter
See, dahinter, besser: um alles herum die wunderbar beleuchteten Gebirgszüge.
Ein malerischer Ausblick und ein Ort, an dem man sich wohlfühlt. Zurück
am Campingplatz kochen wir uns ein Süppchen, essen den Fisch und gehen
früh ins Bett. Ein kleines Problemchen beim Campen: die Toilette befindet
sich immer außerhalb des Zeltes. Und jetzt regnet es in Strömen.
Wie gut, wenn man nicht dringend muß. Verdrängt habe ich noch
ein radtechnisches Problem: Edis Hinterrad sitzt nicht mehr richtig
im Lager, d.h. es wackelt und eine Speiche ist gebrochen, die nicht so
leicht ersetzt werden kann. Wir hoffen stark, daß wir damit noch
heil in Reykjavik ankommen. Es ist nicht mehr so weit: noch 60 Kilometer
bis zur Hauptstadt und noch 40 Kilometer bis zum Flughafen. Das ist auf
jeden Fall zu schaffen.
Spruch des Tages: "The weather in iceland - it´s
not a bug, it´s a feature."
Die Schafe schauen hier nicht so glücklich. Sie sind
eingezäumt, im Hochland dagegen frei und beherrschen das Gebiet, können
über die Straße, wann sie wollen. Drastisch war, daß an
einem Gatter die Schafe dicht aneinandergedrängt die Köpfe an
das Gitter drückten, sie wollten raus und über die Straße.
Im Hochland warten die Schafe immer, bis ein Auto kommt oder ein Fahrrad.
Kurz bevor es vorbei will, kreuzen sie die Straße. Auf Edi hat einmal
ein prächtiges Schwarzes sehr lange gewartet.
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